Jan Rudnicki
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Trotz anhaltender Debatte um Equal Pay: Der Gender-Pay-Gap in Deutschland ist nach wie vor groß. Doch in welchen Branchen ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen besonders deutlich? Und gibt es Berufsgruppen, in denen Frauen mehr verdienen als ihre männlichen Kollegen?
Frauen verdienen häufig weniger als Männer. In Deutschland bekommen sie über alle Branchen hinweg im Median einen um 12,4 % geringeren Bruttostundenlohn als ihre männlichen Kollegen. Selbst für vergleichbare Tätigkeiten erhalten Frauen ein um 5,7 % geringeres Bruttogehalt.
Wir haben uns gefragt, in welchen Branchen der Gehaltsunterschied besonders hoch ausfällt: Welche Berufsgruppen sind am weitesten entfernt von Equal Pay? Und gibt es Branchen, in denen weibliche Berufstätige sogar ein höheres Gehalt bekommen als ihre Kollegen? Mithilfe unserer Datenbank haben wir ausgewertet, wie viel Frauen und Männer in verschiedenen Branchen und Berufsgruppen verdienen.
Unsere Angaben zum Gender-Pay-Gap unterscheiden sich etwas von anderen offiziellen Quellen. So betrug der unbereinigte Gap laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) für das Jahr 2024 rund 16 %, während wir auf einen Wert von 12,4 % kommen. Unsere Datengrundlage ist repräsentativ, allerdings nicht in Bezug auf die Verteilung aller Berufe in Deutschland, weshalb unsere Werte leicht abweichen.
Unsere Auswertung erlaubt es uns jedoch, einzelne Branchen und Berufsgruppen etc. gezielter zu analysieren und so einen tieferen Einblick zu erhalten.
Ein Ergebnis sticht besonders ins Auge: Der unbereinigte Gender-Pay-Gap ist in der Medizintechnik am größten. Der Bruttostundenlohn der Frauen in dieser Branche fällt im Vergleich zu dem der Männer um 22,6 % geringer aus.
Einer der branchenübergreifenden Gründe für die klaffende Lücke in der Bezahlung ist der Umstand, dass Frauen seltener Führungspositionen innehaben als Männer. Zudem arbeiten Frauen öfter in Teilzeit.
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Doch auch ein Blick auf den bereinigten Gender-Pay-Gap, der diese Faktoren berücksichtigt, zeigt: Die geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschiede sind in vielen Branchen enorm. Besonders in den Branchen Energie- und Wasserversorgung & Entsorgung, im Handwerk oder in der Luft- und Raumfahrt verdienen Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit allein aufgrund ihres Geschlechts deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen: ganze 7,1 %.
In diesen fünf Branchen klafft im Median die größte Lohnlücke zwischen den Geschlechtern:
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
51.250 € | 35.500 € | 43.750 € | -22,6 % | -6,7 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 37 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
59.750 € | 40.250 € | 49.500 € | -22,6 % | -6,6 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 33 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
51.000 € | 37.500 € | 46.000 € | -22,3 % | -4,3 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 56 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
52.500 € | 37.250 € | 44.750 € | -21,2 % | -6,6 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 44 %
Bruttomediangehalt: | Bruttomediangehalt der Frauen: | Bruttomediangehalt der Männer: | Unbereinigter Gender-Pay-Gap: | Bereinigter Gender-Pay-Gap: |
---|---|---|---|---|
65.500 € | 45.500€ | 53.250 € | -18,8 % | -6,6 % |
Frauenanteil in der Datenauswertung: 28 %
Der bereinigte Gender-Pay-Gap wiederum setzt alle wichtigen Faktoren gleich, mit Ausnahme des Geschlechts, sodass nur gleichqualifizierte Frauen und Männer miteinander verglichen werden. So sagt der bereinigte Gender-Pay-Gap aus, wie viel Frauen bei gleicher Arbeit nur aufgrund ihres Geschlechts weniger verdienen.
Ein Blick auf unsere Datensätze zeigt: Frauen verdienen in kaum einer Branche mehr als Männer. So fällt der unbereinigte Gender-Pay-Gap im Bereich Transport und Logistik auf: Hier verdienen Frauen mit 41.250 € im Median einen Tick mehr als die Männer mit 40.750 €, der Gender Pay Gap liegt mit 1,3 % im positiven Bereich. Im Dritten Sektor liegen Männer und Frauen immerhin gleichauf.
Auffällige Ergebnisse liefert der Blick auf einzelnen Unterdisziplinen der Berufsgruppen: Beim Militär fällt der Gender Pay Gap mit -3.6 % vergleichsweise gering aus, was mit großer Wahrscheinlich an dem geringen Frauenanteil in dieser Berufsgruppe liegt. Gleiches gilt auch für den Security-Bereich (3,8 %). Auch in der Landwirtschaft beträgt der Gender Pay Gap nur -4,5 %, in der Administration liegt die Lohnlücke bei -5,7 %. Auffällig ist jedoch, dass diese Berufe und Branchen oft eher niedrigere Bruttomediangehälter aufweisen.
Dabei spielen kulturelle Einflüsse auf den Gender-Pay-Gap eine zentrale Rolle: Klassische Rollenklischees prägen auch heute noch den Arbeitsmarkt. Während der Frauenanteil in Bereichen wie Pflege besonders hoch ist, gilt beispielsweise der IT-Bereich noch immer als Männerdomäne. Die Bezahlung in typischen Frauenberufen fällt in der Regel schlechter aus.
Damit Frauen die Lohnlücke auch in Branchen schließen können, in denen der Gender-Pay-Gap größer ausfällt, fordert Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi im Gespräch mit dem Stepstone-Magazin: „Wir brauchen in Deutschland eine umfassendere, an die Bedürfnisse von Vollzeitbeschäftigten angepasste und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung. Zudem braucht es sozialen Wandel – es müsste Eltern leichter gemacht werden, ihre Kinder mit gutem Gewissen in eine externe Betreuung zu geben und nicht als ‚Rabeneltern‘ gebrandmarkt zu werden, wenn sie dies tun.“
Sich als Frau zu informieren, was in der eigenen Branche gezahlt wird, ist auf persönlicher Ebene ein mächtiger Hebel: Damit verschafft man sich vor Vorstellungsgesprächen oder Gehaltsverhandlungen schnell einen Überblick darüber, wo der eigene aktueller Marktwert und wo der Branchendurchschnitt liegt. Tools wie der Stepstone Gehaltsplaner geben sowohl den Branchendurchschnitt als auch eine branchenübliche Gehaltsspanne an.
Wirtschafts- und Finanzexpertin Henrike von Platen rät im Interview allen Arbeitnehmer*innen explizit dazu, über Geld zu sprechen: „Beschäftigte können den ersten Schritt machen, indem sie [… ] zum Beispiel Kolleginnen und Kollegen nach dem Gehalt fragen. Sie können auch den gesetzlichen Auskunftsanspruch nutzen oder bei ihren Vorgesetzten oder in der Personalabteilung nachfragen, nach welchen Kriterien sich das eigene Gehalt eigentlich zusammensetzt.“
Der Gender-Pay-Gap entsteht durch eine Vielzahl von Faktoren, darunter geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz, ungleiche Beförderungschancen, ungleicher Zugang zu Ausbildung und Fortbildung sowie traditionelle Geschlechterrollen und -erwartungen.
Der Gender-Pay-Gap hat weitreichende Auswirkungen auf individueller, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. Individuell führt er zu finanzieller Ungerechtigkeit, da Frauen weniger verdienen und dadurch ein niedrigeres Einkommen und eine geringere Altersvorsorge haben. Auf wirtschaftlicher Ebene wirkt sich der Gender-Pay-Gap negativ auf das Bruttoinlandsprodukt aus, da er das volle Potenzial des Arbeitskräftepotenzials nicht ausschöpft. Auf gesellschaftlicher Ebene verstärkt er bestehende Ungleichheiten und trägt zur Aufrechterhaltung von Geschlechterstereotypen bei.
Um den Gender-Pay-Gap zu verringern, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, darunter Gesetze und Vorschriften zur Förderung der Lohngleichheit, wie beispielsweise das Verbot der geschlechtsspezifischen Diskriminierung am Arbeitsplatz.
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